Natur- und Landschaftserbe im Aargauerjura – Energie und Umwelt als Herausforderung

von Peter Bircher, Vorstandsmitglied Verein «Pro Burg», Wölflinswil

Seit rund 12 Jahren beschäftigt uns in diesem Tal das Vorhaben auf «Burg» einen Windpark zu erstellen.  Der Park ist in den Gemeinden Kienberg SO und Oberhof AG geplant.  Eine ebenso stark mitbetroffene Gemeinde ist Wölflinswil, weil das dominante «Burg»-Projekt im Benkental den ganzen Landschaftsraum schwerwiegend tangiert und die frei sichtbaren Jurakreten dominiert.  Die Erhaltung des Landschafts- und Lebensraumes in diesem Juragebiet bedeutet uns sehr viel. Alle drei Gemeinden sind Mitglieder im Jurapark Aargau. Hier wäre ein Windpark buchstäblich «ein Faustschlag ins Gesicht», wie das die Schweiz.  Forschungsanstalt Wald, Schnee und Landschaft WSL im August 2020 zusammen mit dem Forum Biodiversität der Akademie der Naturwissenschaften SCNAT in einem umfassenden Bericht dokumentiert hat. Wörtlich: «Windkraftanlagen haben eine negative Auswirkung auf die Biodiversität». 

Der klassische Energiekanton Aargau muss andere Zeichen setzen! 

Mit den drei Kernkraftwerken und den Flusskraftwerken ist der Aargau dominant vorne mit dabei in der Energieproduktion. Zudem sind das Forschungsinstitut in Villigen, das Umweltzentrum in Spreitenbach und viele innovative Firmen Schrittmacher in der Umweltpolitik. Schliesslich bildet der «Stern von Laufenburg» über Jahrzehnte, den grossen Stromverteiler in Mitteleuropa und für die Schweiz, wenn auch die Administrationszentrale von Swissgrid nach Aarau umgesiedelt wurde. Was auf Dauer bleibt, ist eine grosse Landschaftsbelastung mit den Hochspannungsleitungen. Wir werden im Versorgungsinteresse des Landes mit diesen Leitungen in grosser Zahl leben müssen, weil die Projekte «Bözberg und Reusstal» genügend aufzeigen:  Die unterirdische Verlegung in Betonkanäle ist landesweit schlicht nicht bezahl- bzw. machbar! Sollen uns dennoch zusätzlich weitere Belastungen mit industriellen Windparks zugemutet werden?

Vielerorts fehlt der Rückhalt

Ungeachtet einer mehr und mehr kritischen Haltung der Bevölkerung gegenüber der Windkraft soll krampfhaft an einer Politik festgehalten werden, die an Rückhalt mehr und mehr verliert? Einige Beispiele:

  • In der Nordwestschweiz sind alle hochfliegenden Pläne, vor allem im Kanton Basel-Landschaft, aufgegeben worden.
  • Das Aus steht im Appenzellerland seit einem Jahr fest.
  • In der Linthebene (Glarus), in der Sarganser Rheinebene und in der Surselva bleibt die Windenergie chancenlos (Im Kanton Glarus von Regierungsrat und Landrat klar so entschieden).
  • Verschiedene Projekte im Solothurner Jura sind gescheitert oder erst gar nicht in die weitere Planung einbezogen worden.
  • Die Richtpläne in den Kantonen Thurgau und Schafhausen sind höchst umstritten.
  • Viele Kantone kennen gar keine Projekte, so z.B. Zürich und die Innerschweizer Kantone.
  • In Sonvilier BE ist im September 2020 mit 286 zu 281 Stimmen ein Grossprojekt abgelehnt worden, obwohl die Offensive der Promotoren sehr stark war. Es wäre ein 80 Millionen-Projekt gewesen und bereits wurden für fast endlose Planungen und Gutachten gegen 3 Mio. Franken eingesetzt. Muss das an X- Orten der Schweiz resultatlos so weitergehen?
  • Ein harter Entscheid fiel ebenfalls negativ aus in der Kleingemeinde Court BE mit der «Drohung» aus der Stadt Biel: «Das war nun eine Abstimmung, aber all unser Bemühen für die Windkraft wird weitergehen…» – nennt sich das Achtung vor demokratischen Volksentscheiden?
  • Geplante Anlagen auf dem Stierenberg lösten grosse Betroffenheit auch im Aargauer Wynental aus. Dem Lindenberg-Projekt weht aus dem Kanton Luzern (Hitzkirch) ein frostiger Wind entgegen mit einer Gemeinde-Initiative, die nicht mit x-Behauptungen auftrumpft, sondern mit ausgewiesenen Fakten, was schweizweit Beachtung verdient.

Eine Neuorientierung der Energiepolitik ist notwendig

Die Nutzung der Wasserkraft und der fortschreitende grosse Erfolg der Solarenergie zeigen den Weg. Bereits mit der umfassenden Sanierung und dem Neubau beim Kraftwerk Rheinfelden wurde bewiesen, was Wasserkraftnutzung vermag. Die Produktion hat sich verdreifacht und mehr Natur und Artenvielfalt wurde mit dem Umgehungsgewässer entschieden gefördert.

Insgesamt sind 37 grosse Windkraftanlagen in der Schweiz in Betrieb. Sie erbringen an die gesamte Stromproduktion in der Schweiz einen Anteil von 0,2% oder 75 MW. Das reiche für 41’700 Haushalte, wird von Swiss Eole behauptet. Das ist die halbe Wahrheit, weil x andere Stromquellen nötig sind um ein rundes, kompaktes immer verfügbares Angebot für diese Haushalte sicherzustellen. Aber der Wind weht, wann und wie er will und ist völlig unberechenbar. Im Gegensatz zur Solarenergie, wo man leicht auf einige Tage hinaus die Sonnenscheindauer ermitteln kann und damit auch eine bessere Versorgungssicherheit hat. Windkraft bedingt Speicher. Diese sind bei uns mit der Wasserkraft gegeben, sie könnten auch europaweit eine grosse Rolle spielen, aber nur im Verbund und mit einem tragfähigen Stromabkommen mit der EU. Solarspeicher sind hingegen viel kleinräumiger möglich mit Hausspeicher und z.B. Batterien bei den Elektroautos. Es gibt bereits dank Solar energieautarke Wohnhäuser. Die sicherste Energie wäre die eingesparte Energie. Die Ablehnung des neuen Aargauischen Energiegesetzes ist deshalb sehr zu bedauern. Doch auch ohne Gesetz und zusätzliche Förderung ist viel in Bewegung in der Baubranche: mit «Weg vom Öl», Fernwärme, Gebäudesanierungen und -Dämmung, Förderung des einheimischen Rohstoffes Holz usw. Hier leistet auch das Aargauische Elektrizitätswerk (AEW) und viele «Kleinverteiler» Beachtliches.

Wichtige Argumente gegen den Windpark «Burg»

  • Der Aargau braucht einen intakten Naherholungsraum, wie den Jurapark Aargau. Die Erfahrung mit «10 Jahre Park» zeigt die gute Akzeptanz in den Gemeinden, was für den Park entscheidend wichtig ist. 2022 startet der Regionale Naturpark nach der Gemeinde-Fusion Böztal mit 32 Gemeinden in die zweite zehnjährige Betriebsphase. Der Parkperimeter wächst somit um 25% auf rund 300 km2 und 54’600 Menschen wohnen hier. 
  • Der Verein «Pro Burg» zählt rund 300 Mitglieder und besteht seit 2012. Er hat sich vor allem um Sachkunde bemüht und immer wieder Fachleute für Referate und Informationen eingeladen, vorab in den Bereichen Landschaft, Geologie und Lärmschutz.
  • Grosse Sorge bereitet dem Verein das Trinkwasser. Das Gebiet «Burg» liegt zentral über den Juraquellen, welche für die Wasserversorgung entscheidend ist für Wölflinswil und Oberhof, sowie das Hofgebiet auf dem Tafeljura (Pumpstationen) für insgesamt gegen 30 Höfe (u.a. Pilger, Benken, Altenberg, Kornberg, Fürberg). Der Schutzperimeter ist fast ausschliesslich im Waldgebiet und ungenügend. Er muss erweitert werden. Das Karstgebiet mit Hohlräumen, Dolinen, Trockentälern und vielschichtigem Gestein verlangt Schutz und Sorgfalt. Verschiedene Expeditionen in den nahen Schwarzwald haben uns gezeigt, was im Gelände alles passiert mit dem Windräderbau. Es sind industriell geprägte Grossbauplätze mit riesigen Fundationsschichten aus Eisen und Beton. Es ist ein äusserst gefährliches Unterfangen, solche Bautätigkeiten in einem Trinkwasser-Quellgebiet zu unternehmen.
  • Es geht nicht nur um die Bauplätze für die fünf geplanten Grosswindanlagen. Die Baustellen benötigen grosse, breite und gut fundierte Zufahrtstrassen. Eine Hauptzufahrt ab Saalhöhe (Jurapass-Strasse) muss zum Teil völlig neu angelegt werden und führt über weite Strecken über intaktes Landwirtschaftsland (Hofgebiet) und Waldareal. Teilweise handelt es sich um typisches Karstgebiet mit Dolinen und instabilem Untergrund.
  • Die Standorte der fünf Anlagen befinden sich inmitten des Juraschutzgebietes. Es ist ein Wandergebiet mit grossteils intakten Gebietsabschnitten und grosser Vielfalt mit Flora und Fauna. Ein grosses Stück von einmaliger und unberührter Natur ginge verloren. Dem immer grösseren Anliegen, die Biodiversität zu fördern, könnte eine schlimmere Beeinträchtigung gar nicht passieren!
  • Im Jurapark werden grosse Anstrengungen unternommen für die Erhaltung und Förderung von Fledermäusen (seltene Hufeisennase) welche als Beispiel im eigens erhaltenen Fledermaushaus in Wegenstetten eine Heimat haben, aber auch in der Hasli-Höhle in Wölflinswil oder im Gipsgrubenareal von Kienberg.

Die Schweiz ist kein Windland

Es gibt Kernaussagen von Fachleuten und den Planungsverantwortlichen selber, die offen erklären, der Windpark-Bau lohne sich nur mit staatlicher Subventionierung. Bereits bis heute mussten viele Mittel in der Planung aufgewendet werden. 

Der effektive Ertrag ist äusserst fragwürdig. Die bestehenden 37 Grosswindräder in der Schweiz haben nirgends die Renditeerwartungen erfüllt. Als Beispiel diene die Anlage mit 4 Windrädern auf dem Griesspass-Nufenen VS welche als «Leuchtturm-Projekt» propagiert wurde. Wörtlich aus dem aktuellen Internet-Bericht des Windpark Gries: «Insgesamt wurde ein jährliches Regelarbeitsvermögen von rund 10 GWh erwartet. Die Jahresproduktion lag 2017 bei 7,8 GWh und 2019 bei 6,8 GWh. Die Windgeschwindigkeit liegt bei 5,5 bis 6 Metern pro Sekunde. Durch die höhenbedingt niedrige Luftdichte ist der Ertrag im Vergleich zum Erwartungswert auf Meeresniveau um etwa 25% verringert.» Der Grosse Rat senkte für den Aargau im Rahmen der Debatte um den Richtplan den Anspruch auf die minimale Windgeschwindigkeit von 6 auf 4,5 Meter pro Sekunde. Aus wirtschaftlicher Sicht wäre eine mittlere Windgeschwindigkeit von 7 m/s und eine Auslastung von mehr als 50% erforderlich. Solche Bedingungen können nur in Küstengebieten mit offshore-Anlagen oder im Österreichischen Flachland erreicht werden. 

«Die Schweiz ist kein Windland!» ist ein Kernsatz, welcher schon vor 12 Jahren vom Bundesamt für Energie verbreitet und auch von den Bernischen Kraftwerken (BKW) schon mehrmals zitiert wurde. Es ist eine Aussage, welche nun allen bisherigen Erfahrungen mit Windpark-Projekten entspricht. 

Ich bin überzeugt, dass öffentliche Gelder, welche bei Windparkprojekten eingespart werden können, weit besser angelegt sind für die Förderung von Energie-Effizienz, Solar- und Wasserkraft sowie Begleithilfen für Gebäudesanierungen. «Grün» ist auch für uns wichtig, aber nicht «grüne» Prestigeprojekte, die gar nicht praxistauglich sind. 

Das Natur-und Landschaftserbe im Aargauer Jura ist gross. Dem gilt es Nachachtung zu verschaffen. 

1.5.2021